Candidate Experience: Die User Experience für Bewerber
Der Arbeitsmarkt ist im Wandel. Längst spricht man offenkundig von einem Arbeitnehmermarkt. Der Wettbewerb um die besten Bewerber und Nachwuchskräfte ist entbrannt. Längst überbieten sich Arbeitgeber bei Zusatzleistungen, Arbeitszeitregelungen und vielen weiteren – teils kreativen – Benefits. Und trotzdem: die hinter den tollsten Jobausschreibungen steckenden Bewerbungsverfahren sind immer noch anstrengend und nervig. Nahezu jeder wird es kennen: man liest die Ausschreibung, Begeisterung ist geweckt, man will sich bewerben – und es erscheint ein ellenlanges Bewerbungsformular, das man allerdings meist auch erst zu Gesicht bekommt, wenn man sich vorher mit seinem kompletten Daten registriert hat. Schrecklich! Und für viele potentielle Bewerber auch so abschreckend, dass sie sich eben gar nicht bewerben. Wieso bei einem Unternehmen arbeiten, mit dem ich von Anfang an keine positive Erfahrung gemacht habt?
Was ist die Candidate Experience?
Die „Candidate Experience“ ist nichts anderes als genau das: das Nutzererlebnis eines Bewerbers während des gesamten Bewerbungsprozesses. Und zwar bei jedem Touch Point mit dem jeweiligen Unternehmen.
Eine negative Candidate Experience kann so beispielsweise schon aufgrund von Kleinigkeiten, zum Beispiel durch ein fehlendes Kununu Profil ausgelöst werden. Oder durch ein Glasdoor Profil mit überwiegend negativen Bewertungen. Aber auch ein Messestand kann die Candidate Experience positiv sowie negativ beeinflussen. Mit dazu gehört als einer der essentiellsten Bausteine auch der gesamte Bewerberprozess. Muss ein Bewerber sehr lange auf Rückmeldung warten, ist die Wertschätzung schon am Anfang sehr gering und somit die Erfahrung nicht besonders positiv.
Die Candidate Experience ist hier nichts anderes als die User Experience, um die sich in Onlineshops ganze Teams kümmern. Hier werden Mitarbeiter eingesetzt, die sich um nichts anderes kümmern, als um die bestmögliche Gestaltung des User Interface (UI) sowie die User Experience (UX). Denn nur so kann ein Kaufabschluss möglichst barrierefrei gestaltet werden.
Besonders bei Karriereseiten ist die Candidate Experience ein sehr wichtiger Aspekt. Eine lieblos gestaltete 0815-Stellenanzeige, die unglücklicherweise sogar nur als PDF hinterlegt ist, steht nicht unbedingt für Innovationskraft und Wertschätzung für mögliches neues Personal.

Dann schau Dir jetzt unser neues eBook an. Wir haben 8 wertvolle Tipps zusammengetragen, wie Du die Candidate Experience verbessern kannst. So findest Du die richtigen Bewerber über Dein Karriereportal!
Welche Phasen durchlaufen Deine Bewerber?
Ein Bewerber hat in den meisten Fällen nicht erst bei der Bewerbung mit dem Arbeitgeber zu tun, sondern schon viel früher und viel häufiger. Grundsätzlich lassen sich die Phasen in 6 Abschnitte unterteilen:
Phase 1:
Anziehungsphase
Diese frühe Phase kann auf vielen Wegen starten, zum Beispiel durch eine Mitarbeiterempfehlung oder ein unverbindliches Treffen auf einer Job Messe. In der ersten Phase wird der Erstkontakt hergestellt – und damit der erste Eindruck hinterlassen. Besonders wirksam kann gutes Feedback zum Arbeitgeber von vorhandenen Mitarbeitern sein, die in diesem Falle schnell in die Rolle des Corporate Influencer aufrücken. Denn gerade im Miteinander, im wiederholten Berichterstatten vom eigenen, attraktiven Arbeitsalltag kann viel Anziehungskraft erzeugt werden. Eine Recruting Kampagne sollte daher nicht nur bei der Erstellung von Stellenanzeige ansetzen, sondern bereits bei der Gestaltung des Gesamteindrucks eines Unternehmens.
Phase 2:
Informationsphase
Bei gewecktem Interesse, geht Phase eins rasch in die Informationsphase über. Bei einer Recruiting Kampagne sollte hier gesteigerten Wert auf den ersten sichtbaren Online Auftritt gelegt werden. Alles rund um die Stellenanzeige – auch Details – (Optik der Seite, Usability, Formulierungen) formen bereits erste Eindrücke des Bewerbers. Daher sollte der Fokus auf einer möglichst userfreundlichen Bedienung und einer zielgruppengerechten Ansprache liegen. Auch beim groben Überfliegen sollten die Kernaussagen bereits rübergebracht werden können. Entscheidend ist: ein Vielfaches an Informationen werden lediglich im Unterbewusstsein verarbeitet. So bereits bei der Anrede – für viele Personaler eine Detailfrage, für viele Bewerber jedoch eventuell bereits ein abschreckendes No-Go. Hier entscheidet sich auch, ob ein Bewerber sich weiter informiert oder direkt abspringt.
Phase 3:
Bewerbungsphase
Für viele die entscheidenden Phase – und leider häufig sträflich vernachlässigt. Aber: ein Bewerber muss hier die meiste Zeit initiativ investieren. Welche Daten werden benötigt? Muss ich mich irgendwo anmelden? Ist ein Anschreiben nötig? Oder kann ich mich via OneClick Bewerbung schnell und einfach bewerben?
Und selbst nach dem Abschicken ist diese Phase nicht vorbei. Wie wird der Bewerber über den Erhalt der Unterlagen informiert? Gibt es eine persönliche Begrüßungsmail oder eine offensichtliche Standard-Mail aus dem Bewerbermanagement System? Entscheidend kann hier auch sein, ob dem Bewerber aufgezeigt wird, was nun als nächstes passiert. Häufigster Fehler hier: die Gestaltung und Ansprache der Stellenanzeige ist fundamental anders gestaltet als der „bürokratische Prozess“ zur Bewerbung. Eine durchgängige Candidate Journey wird so gebrochen und kann zu einer hohen Absagenquote führen.
Phase 4:
Auswahlphase
Bei vielen Unternehmen zieht sich diese Phase gefühlt ins Unendliche. Besonders in den Sommermonaten und über Weihnachten/Neujahr kann die Bearbeitung von eingegangenen Bewerbungen Wochen dauern. Wird der Bewerber allerdings über Verzögerungen nicht informiert und ein anderes Unternehmen ist schneller und transparenter, kann er schnell abwandern. Hier ist es wichtig, den Mitarbeiter zu informieren in welchem Zeitfenster man sich bewegen wird. Im Zweifel genügt auch ein kurzer persönlicher Anruf. Dies signalisiert Offenheit und – besonders wichtig als Möglichkeit der ersten Wertschätzung – Interesse.
In diesem Zeitfenster kann der Bewerber auch mit weiteren Informationen zum Unternehmen versorgt werden. Beispiel: Gibt es einen Zukunftsplan im Unternehmen, welcher nicht auf der Webseite zu finden ist? So kann dieser vorab versendet werden. Gibt es irgendwelche aktuellen Planungen, die für den Bewerber interessant sein könnten? In dieser Zeit kann sich der Bewerber weiterhin mit dem Unternehmen auseinander setzen. Gestaltet es das Unternehmen geschickt, können so auch weitere Begehrlichkeit geweckt werden.
Zudem zur Auswahlphase gehören die Einladung zum Vorstellungsgespräch sowie die Kommunikation danach. Wie freundlich wurde ein Mitarbeiter empfangen? Wusste der Empfang vom Termin oder fühlte sich der Bewerber nicht herzlich willkommen? Wurde sich Zeit genommen oder wirkte der ganze Kontakt eher hektisch? Hat man eventuell andere Orte gesehen, als den kleinen Meetingraum für Bewerber?
Nach dem persönlichen Gespräch kann zudem hilfreich sein, den Bewerber um direktes Feedback zu bitten. Nie sind die Eindrücke so frisch wie in diesem Moment. Es sollte auch in Betracht gezogen werden, zu diesem Zeitpunkt ein Mailing mit der Bitte um eine Bewertung des Bewerbungsverfahrens bei Kununu zu versenden. Das zeigt: man wünscht sich Kritik und man scheut sich nicht davor.
Phase 5:
Onboarding
Jeder fünfte Bewerber verlässt innerhalb der Probezeit das Unternehmen. Die Gründe hierfür können vielfältig sein. Ein besonders ärgerlicher Anlass: eine fehlende Willkommenskultur im neuen, vermeintlichen „Wunsch„unternehmen. Dies trifft leider besonders häufig dann zu, wenn der vermeintlich beste Arbeitgeber-Kandidat sich mit seiner Entscheidungsfindung sehr lange Zeit gelassen hat. Denn dann bauen sich über einen besonders langen Zeitraum hohe Erwartungshaltungen auf – schließlich hat man sich eventuell gegen viele andere, ähnlich attraktive Optionen entschieden. Aber dann doch dieses eine Unternehmen ausgewählt. Wer wäre das nicht enttäuscht, wenn plötzlich Situationen auftreten, die man nicht erwartet. Wie zum Beispiel, dass man am Tag des Arbeitsbeginns nicht in Empfang genommen wird. Gibt es eine Führung durch die anderen Teams um die neuen Kollegen kennenzulernen? Ist der Rechner fertig konfiguriert oder überhaupt bestellt?
Viele Unternehmen greifen inzwischen auf Onboarding Tools zurück, die die Personalabteilung, die Fachkollegen sowie den Mitarbeiter beim Ankommen unterstützt. Dies soll verhindern, dass der Neuankömmling durch das Informationsloch zwischen Personal- und Fachabteilung rutscht. Hier sollte vor allem der Fokus auf den inhaltlichen Part gelegt werden. Häufig kann man dies bereits im unternehmenseinheitlich verwendeten Projektmanagement Tool umzusetzen (beispielsweise Asana oder Trello). Hier können einmalig Vorlagen erstellt werden, die beliebig oft wiederverwendet und personalisiert werden können.
Mit Hilfe solcher Tools könnte das Unternehmen beispielsweise auch das Kennenlernen mit wichtigen Stakeholdern oder die Teilnahme an bestimmten Aktivitäten („Team XY macht Freitags immer Burgerfriday, geh mal mit.„) organisieren. Wichtig dabei ist allerdings, dass der Skateholder im Bilde ist und vorab besprochen wurde, welche Rolle der neue Mitarbeiter in Zukunft einnehmen soll. Auch hier kann sonst schnell ein unwillkommener Eindruck entstehen, so zum Beispiel wenn der Neuankömmlinge das Gefühl hat, etabliertere Mitarbeiter nur „aufzuhalten“ oder von unzufriedenen Mitarbeitern von einer hire-and-fire-Mentalität des Unternehmens berichtet wird.
Phase 6:
Bindungsphase
Die Bindungsphase ist erst dann abgeschlossen, wenn der neue Mitarbeiter ein “Wir-Gefühl” verspürt und nicht mehr als „der Neue“ wahrgenommen wird. So lange besteht weiterhin die Möglichkeit den Mitarbeiter wieder zu verlieren. Denn die Probezeit ist nicht nur für den Arbeitgeber da. Aus diesem Grund kann es hilfreich sein, einen Onboarding Prozess über die ersten Monate hinweg kontinuierlich aufzubauen und dies eben nicht nur für den Mitarbeiter, sondern auch für das Unternehmen und besonders die zuständigen Team-/Abteilungsleiter. Auch ein regelmäßiges Treffen mit dem Personaler aus dem ursprünglichen Bewerbungsprozess kann hilfreich sein – dieser weiß schließlich noch, welche Erwartungen der Bewerber ursprünglich geäußert hatte und kann nachhaken, ob diese auch ausreichend erfüllt sind.