Von „Kunde sucht Produkt“ zu „Produkt sucht Kunde“
Gleichzeitig entwickeln sich Online-Plattformen wie amazon oder ebay. Fortschrittliche Einzelhändler bieten Schritt für Schritt ihren „Produktkatalog“ auch online an. Das hat noch wenig mit dem Online-Shopping-Erlebnis von heute zu tun. Es geht um Masse statt Klasse: die Händler wollen so viele Artikel wie möglich im eigenen Online-Shop anbieten. Randthemen wie Artikelinformationen, Product Content oder ansehnliche Produkt-Fotos fallen da gerne einmal hinten runter. Man geht davon aus: der Kunde sucht ein Produkt und dieses Produkt muss man ihm im Katalog anbieten.

Beispiel Zalando: Längst ist der Kleidungsriese davon abgewichen, einen ellenlangen Produktkatalog auszubreiten. Stattdessen steht Inspiration im Vordergrund: was kann man dem Kunden/der Kundin noch anbieten? Wozu kann man ihn anregen?
Nur Wenige begreifen schon Anfang der 2000er: der Konsum des Verbrauchers hängt in Zukunft nicht mehr nur davon ab, ob die Nachfrage des Verbrauchers bedient werden kann. Sondern viel eher damit, ob ein Händler zu seinem spezifischen Produkt eine Nachfrage beim Verbraucher generieren kann.
Marketer beschäftigen sich nun nicht mehr mit dem „Was sucht der Kunde?“, sondern „Was können wir dem Kunden anbieten – und vor allem wie?“. So entwickeln sich bei vielen Online-Shops neben den klassischen Produktdetailseiten auch Blogs und Magazine. Sie liefern Content zu Einsatzgebieten und Verwendung von Artikeln, zeigen Anwendungsbeispiele auf oder zeigen herrliche Vorher-Nachher-Bildergalerien.

L’Oréal nutzt professionell gefertigte YouTube-Videos für Frisurinspirationen und zeigt ganz nebenbei auf, welche Produkte aus dem eigenen Hause dafür verwendet werden sollten.
Und das nicht nur zur Freude der SEOs, auch zur Freude der Markenverantwortlichen. Umfragen belegen, dass Marken, die erweiterten Content zu ihrem Produktsortiment anbieten durchweg positiver in Erinnerung bleiben.
Hochwertige Informationen statt hochnerviger Werbung
Beispiel: der französische Kosmetik-Riese L’Oréal. In User Researches finden die Markenverantwortlichen heraus, dass die Kunden genervt sind von reinen Werbebotschaften und aussageschwachen Plakaten. Der Konzern baut ein umfangreiches Magazin auf und bietet Kunden vielfältige Informationen, Tipps und eine Plattform zum Austausch mit Anderen. Ausgewählte Stars und Influencer berichten zudem von dem Gebrauch der Produkte aus ihrem Alltag. Ein (vor einigen Jahren zumindest noch) absolutes Alleinstellungsmerkmal, um sich am schwer umkämpften Beautyprodukt-Markt abzusetzen.
2017 noch boten nur 6,7 Prozent deutscher Unternehmen Kundenmagazine an. Ein Jahr später – 2018 – waren es bereits gut 25%.
Auch interessant: 2018 veröffentlichte der Deutsche Marketingverband erstmals den „Content Marketing Monitor“ für Deutschland. Die Teilnehmer der 400 befragten Marketingverantwortlichen gaben zwar fast übereinstimmend an, dass die Bedeutung von Content Marketing zunehme, die eigene Investitionssumme für den Bereich jedoch sehr gering gehalten wird. Immerhin: Vier von fünf Befragten teilten mit, in den nächsten drei Jahren stärker in das Content-Marketing zu investieren.
Von „Content is King“ zu „Inspiration is King“
Und wer wirklich hochwertigen und inspirierenden Content liefern will, der sollte auch bereit sein, etwas dafür zu investieren. Denn der Kunde merkt schnell, ob ihm qualitative und unique Informationen geliefert werden oder ob er in einen lieblosen Verkaufskanal gelotst wird. Innovation und Inspiration werden mehr und mehr zum Treiber des digitalen Marketings – unter hohen Kundenansprüchen.
Best-Practice Beispiele für Inspiration

Im Ratgeber-Bereich der Baumarktkette OBI dürfte so ziemlich jeder fündig werden. Von Selbstaufbaumöbeln for Dummys bis hin zu ausgeklügelten Anleitungen zum Verlegen von Bodenbelägen bietet OBI für praktisch jedes Anwendungsgebiet die richtige Hilfestellung. Der Clou dabei: im Gegensatz zu den direkten Konkurrenten Bauhaus oder Hornbach ist der Ratgeber-Bereich nicht eindimensional. Wo bei der Konkurrenz zu jedem Thema immer nur ein passender Beitrag zu finden ist, bietet OBI auf ein und dieselbe Frage gleich mehrere Antworten – je nachdem welcher Anwender sich umschaut.
Für den Handwerks-Neuling bieten sich einfache Selbstbaumöbel zum Nachbauen (Baumaterial und Utensilien ganz nach dem IKEA-Prinzip). Für die inspirationshungrige Hausfrau bietet der Gartenplaner ein interaktives Tool, mit dem der eigene Garten nachmodelliert und dann ganz nach den eigenen Wünschen bebaut, bepflanzt oder mit einem Teich ausgestattet werden kann.

Ob Vorgarten, Pool-Area oder Terrasse: mit dem OBI Gartenplaner lassen sich die eigenen Wünsche gestalterisch im Planer-Tool visualisieren. Praktischerweise landen alle benötigten Materialien und Utensilien dann im Warenkorb.
Das Praktische: die notwendigen Utensilien können direkt in den Warenkorb gepackt werden. Aber auch der bastelaffine Handwerker geht nicht leer aus. Auch für ihn gibt es praktische Ratgeber, wenn auch nur in Artikel- oder Videoform, zum Beispiel zum Verlegen von Estrich. Hier kann er Haus-und-Hof-Handwerker dann auch gleich den Boden-Rechner nutzen, um die Menge an benötigtem Belag errechnen zu lassen.
Fazit OBI
Mehr als ein Magazin! Hier hat sich jemand Gedanken gemacht und bietet für Jeden den passenden Content. Gerade bei den Selbstbaumöbeln und den Planer-Tools kann man eine Menge an Inspiration für das eigene Zuhause mitnehmen. Schade jedoch: an pinterest oder andere Ideen-Geber kommt OBI noch nicht heran. Dafür werden die wirklich innovativen Inhalte zu wenig über andere Kanäle wie Instagram oder Youtube ausgespielt

Just Do It – mit seinen Lauf- und Trainings-Apps bietet Nike seinen Kunden (oder auch Nicht-Kunden) eine breite und vielfältige Range an kostenlosen Funktionen und Übungen. Die Running App bietet den gleichen Service wie der kostenpflichtige Konkurrent Runtastic, erinnert praktischerweise an ausstehende Trainingseinheiten und empfiehlt hin und wieder – ohne nervig zu sein – den Einkauf neuer Laufschuhe oder -accessoires, die sich mit NIKE ID sogar noch personalisieren lassen.

nike.com/proanswers – Eine Tutorial-Reihe mit Tipps von Spitzensportlern wie hier Kyrie Irving
Seit Neuestem wartet der Hersteller sogar mit der Funktion auf, die Laufkilometer seiner Schuhe zu tracken. So erhält der Verbraucher einen nicht gerade uneigennützigen Hinweis von Nike darauf, sobald die Schuhe „abgelaufen“ sind und man sich ein neues Paar gönnen sollte.
In der Nike+ App gibt es dann sogar noch exklusiven Content mit bekannten Werbegesichtern des Sportartikelherstellers – so zum Beispiel liefern Kevin Durant, Kyrie Irving oder LeBron James in eigens für NIKE produzierten Tutorials der breitensport-affinen Zielgruppe Tipps für die besten Basketball-Moves.
Fazit NIKE
Hochwertiger Content, kostenlose Motivation und Funktionen sowie ein mit emotions-geladener Leitspruch – ein perfekt abgestimmter Mix!

HiPP eröffnet Eltern nicht nur diverse Ratgebertexte, sondern liefert direkt praktische Windel-App und Trinkmengen-Rechner mit.
Auch wenn man für den Gebrauch von Baby-Brei und Windeln wohl zunächst einmal nicht viel „inspirieren“ muss, sondern sich der Gebrauch und damit der Bedarf von selbst ergibt, hat HIPP es geschafft, eine umfangreiche Informationsplattform für Schwangere und Eltern auszubauen. Es ermöglicht dem Hersteller nicht nur die Zielgruppe an die eigene Marke zu binden, sondern auch neue Entwicklungen und Trends sofort zu erkennen und die passende Produktantwort zu liefern. Die Toolpalette hierfür ist umfangreich: vom „MeinBaby Club“ inklusive Forum zum Austausch, über die Hipp Kinderapp zur Bespaßung der Kleinen bis hin zur Visualisierung der Schwangerschafts-Gewichtskurve. Hier hat ein Unternehmen seine Zielgruppe ganz genau im Blick und bietet für jede Frage die passende Antwort. Bleibt nur die Frage, ob Produkte wie „Stillsaft“ oder „Mamasanft Body Butter“ wirklich immer notwendig sind – zum Gebrauch inspiriert wird man in jedem Fall.
Fazit HiPP
HIPP vereint hochwertige Ratgeberseiten mit hilfreichen Tools zur Planung von der Schwangerschaft bis zum Elternalltag. An der ein oder anderen Stelle sollte die Marke aufpassen, nicht übers Ziel hinauszuschießen – oder ist eine Kooperation mit der Commerzbank zu einem 0,55% p.a.-Zinsatz Babysparbuch wirklich noch im Sinne des Erfinders?